Lawrence D. Stokes (1940-2007)

Kaum eine andere deutsche Kleinstadt war bereits in den 1980er Jahren hinsichtlich der Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus so gut erforscht wie Eutin. Das geht maßgeblich auf den kanadischen Historiker Lawrence D. Stokes zurück. Stokes lehrte von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1998 an der Dalhousie University in Halifax (Kanada). Er war ein Hochschullehrer, der hohe Anforderungen an seine Studenten stellte und sie für die Themen seiner Seminare, zumeist die Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland, begeisterte. Bis heute gibt es an der Dalhousie University ein „Larry D. Stokes Seminar“, das in Erinnerung an ihn abgehalten wird.

Lawrence Duncan Stokes im Stadtarchiv Eutin im Mai 2024, Fotograf: Harmut Buhmann. Quelle: Ostholsteiner Anzeiger, 10. Mai 2024.
Lawrence Duncan Stokes im Stadtarchiv Eutin im Mai 2024, Fotograf: Harmut Buhmann. Quelle: Ostholsteiner Anzeiger, 10. Mai 2024.

Wie kam es dazu, dass ein kanadischer Historiker sich einen Großteil seines Forscherlebens mit der Kleinstadt Eutin beschäftigte? Im Sommer 1962 kam Stokes als Werkstudent nach Lübeck und lernte hier die Pädagogikstudentin Erika Langfeldt kennen, die aus Eutin stammte. Zwei Jahre später, Stokes war inzwischen Doktorand an der Johns Hopkins University in Baltimore (U.S.A.), heirateten die beiden in Eutin. Damals entstand wohl die Idee, eine Abhandlung über den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland am Beispiel einer norddeutschen Kleinstadt zu schreiben. Zunächst erschien 1979 ein umfangreicher Aufsatz von Stokes über das Eutiner Schutzhaftlager, eines der frühen Konzentrationslager in Deutschland, die zu dieser Zeit noch kaum Beachtung in der historischen Forschung fanden. Fünf Jahre später legte Stokes dann sein monumentales Standardwerk „Kleinstadt und Nationalsozialismus“ vor, in der er die Geschichte Eutins von 1918 bis 1945 umfassend nachzeichnet. Ein weiteres Buch zum Eutiner Dichterkreis und mehr als 30 Zeitschriftenaufsätze und Buchkapitel folgten.

Stokes hat viele tausend Quellen aus Archiven in Deutschland und den U.S.A. gesichtet und zu einer glänzend geschriebenen historischen Gesamtschau verdichtet. Dieser immensen Arbeitsleistung von Stokes verdanken wir so gut wie alles, was über die Geschichte Eutins und des oldenburgischen Landesteils Lübeck im Nationalsozialismus bekannt ist. Am 19. Dezember 2007 erlitt Stokes auf dem Weg ins Nationalarchiv in Ottawa einen Herzinfarkt; fünf Tage später ist er im Alter von nur 67 Jahren verstorben. Wesentliche Teile seines Nachlasses befinden sich im Stadtarchiv Eutin sowie im Archiv der Gedenkstätte Ahrensbök.

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