5 Konsumverein
Markt 14
Hier im Haus Markt 14 war seit 1908 eine Warenausgabe des der SPD nahestehenden Lübecker Konsumvereins angesiedelt. In der Nacht vom 10. auf den 11. August 1932 wurde der Ladenraum durch ein Bombenattentat völlig zerstört. Die Täter wurden in den Reihen der SA vermutet. Als der städtische Polizeikommissar Paul Marks Monate später einen der mutmaßlichen Täter verhaften will, wird er von dem unmittelbar davor kommissarisch eingesetzten NS-Bürgermeister seines Dienstes enthoben und der Täter stattdessen freigelassen.
Bei den Konsumvereinen handelte es sich um der SPD nahestehende Genossenschaften, die Nahrungsmittel sowie Waren des täglichen Bedarfs beschafften und kostengünstig an ihre Mitglieder abgaben. Ihre Blütezeit hatten sie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Von den Nationalsozialisten wurden die Konsumgenossenschaften bekämpft und als „politisch und kapitalistisch aufgezogene Pestbeulen“ verunglimpft. In Eutin gab es ab 1908 eine Nebenstelle des Lübecker Konsumvereins mit einer Warenausgabe im Gebäude Am Markt 14.
1912 übernimmt der aus Vorpommern stammende Paul Hensel den Eutiner Konsum-Verein als „Lagerhalter“. Von 1919 bis 1932 sitzt er außerdem für die SPD im Stadtrat, er ist stellvertretender Bürgermeister und hat auch ein Landtagsmandat inne. Entsprechend schwer ist sein Stand nach der Machtübernahme der NSDAP im Landesteil Lübeck. Im Juni 1933 wird er zunächst nach Lübeck abgeschoben, später aber auf Betreiben Heinrich Böhmckers von Ende August bis Ende September 1933 nach Eutin in „Schutzhaft“ überstellt. 1944 wird er im Zuge der Aktion „Gewitter“ erneut verhaftet und in das KZ Neuengamme verschleppt. Nach dem Krieg war Paul Hensel als Bürgermeister (damals „Stadtdirektor“) maßgeblich am Wiederaufbau der Selbstverwaltung in Eutin beteiligt.
Der Eutiner Konsumverein ist aber noch aus einem anderen Grund von Bedeutung. In der Nacht vom 10. auf den 11. August 1932 wird der Ladenraum des Konsumvereins durch zwei Handgranaten völlig zerstört. Die Lübecker Staatsanwaltschaft übernimmt gemeinsam mit dem Eutiner städtischen Polizeikommissar Paul Marks die Untersuchung. Alles weist auf eine Täterschaft aus den Kreisen der von Böhmcker eingesetzten SA-Hilfspolizei hin. Der spätere Kommandant des Eutiner KZ, Theodor Tenhaaf, wird als Drahtzieher des Anschlags verdächtigt und festgenommen. Im Oktober werden dann zwei Altonaer Kriminalbeamte hinzugezogen, weil der Verdacht besteht, dass sich weitere Verdächtige, die auch dort Attentate ausgeführt hatten, in Eutin von der NSDAP verborgen gehalten werden. Anfang November wird tatsächlich einer dieser Verdächtigen vor dem „Sturmlokal“ der SA gestellt und zur Personalfeststellung zur Polizeiwache im Rathaus gebracht. Der anstelle des am Tag zuvor seines Amtes enthobenen Bürgermeisters Dr. Stoffregen (siehe Rathaus) von Böhmcker eingesetzte NS-Ratsherr Max Kahl ordnet jedoch an, die beiden Altonaer Kriminalbeamten zu verhaften und im gleichen Zuge den Verdächtigen freizulassen. Der städtische Polizeikommissar Marks verweigert dies und wird zwei Tage später von Böhmcker wegen Gehorsamsverweigerung vom Dienst enthoben. So beginnt die Gleichschaltung der kommunalen Verwaltung in Eutin bereits lange vor der Machtübernahme der NSDAP im Deutschen Reich.
