10 Konzentrationslager Eutin

Hinter Lübecker Straße 41 (heute Neubau)

In dem ehemaligen Amtsgerichtsgefängnis hinter dem Gebäude der heutigen Kreisverwaltung (damals Regierungssitz) befand sich zwischen März und Oktober 1933 eines der vielen frühen Konzentrationslager, die bald nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten überall im Deutschen Reich eingerichtet wurden. Im Erdgeschoss waren jeweils zwischen 25 und 35 „Schutzhäftlinge“ untergebracht, überwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten. Aber auch frühere Honoratioren wie der ehemalige Bürgermeister Eutins und der leitende Polizeikommissar waren hier inhaftiert. Insgesamt waren es mindestens 230 Häftlinge. Das Gebäude wurde Ende der 60er Jahr abgerissen.

Mitten in Eutin, hinter dem Gebäude der Kreisverwaltung (bis 1937 Regierungsgebäude) und dem damaligen Amtsgericht in der Lübecker Straße befand sich zwischen März und Oktober 1933 eines der vielen frühen Konzentrationslager, die bald nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten überall in Deutschland eingerichtet wurden. Die meisten dieser oft improvisierten Lager bestanden nur wenige Monate, und sie entsprechen überhaupt nicht dem Bild, das wir heute von den nationalsozialistischen Konzentrationslagern haben. Das ist geprägt von den großen Lagern, die erst ab 1936 in Deutschland entstanden (z. B. Buchenwald) und vor allem von den späteren Vernichtungslagern im Osten. Damit sind die frühen Lager, so auch das Eutiner Amtsgerichtsgefängnis, zumindest äußerlich kaum vergleichbar. Trotzdem stellen sie den Beginn des KZ-Systems in Deutschland und später in den besetzten Gebieten dar.

Was war der Hintergrund für diese frühen Lager, über die bis heute in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist? Weniger als vier Wochen, nachdem Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, wurden mit der sogenannten „Reichstagsbrandverordnung“ zentrale bürgerliche und politische Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die Polizei, wozu jetzt zunehmend auch Parteiformationen wie SA oder SS zählten, wurde ermächtigt, politische Gegner unter dem Vorwand der „Schutzhaft“ ohne jegliche Möglichkeit der richterlichen Überprüfung zu verhaften und einzusperren. Allein zwischen März und April wurden daraufhin mehr als 45.000 Menschen inhaftiert, im gesamten Jahr 1933 werden es mehr als 80.000. Die bestehenden Polizeigefängnisse waren bald restlos überfüllt, und SA, SS sowie lokale und staatliche Akteure begannen überall improvisierte Haft- und Folterstätten einzurichten. Insgesamt gab es mehr als 80 solcher frühen Konzentrationslager in Deutschland, viele von ihnen genau wie das Eutiner Lager mitten in den Städten und für alle sichtbar.

Noch am Tag der „Reichstagsbrandverordnung“ wird in Eutin der Arbeiter August Salhof wegen „Gefährdung der inneren Sicherheit = K. P. D.“ verhaftet und in das Amtsgefängnis verbracht. Er blieb dort für drei Monat in Haft. August Salhof ist der erste von vielen weiteren Menschen aus Eutin und dem Landesteil Lübeck, die nach den Bestimmungen der „Reichstagsbrandverordnung“ verhaftet und ohne richterliche Anordnung über Monate eingesperrt wurde. Zwei Wochen später, am 11.März 1933, wird der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Fick in Stockelsdorf verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kann das Eutiner Amtsgerichtsgefängnis als Konzentrationslagers gelten; es ist damit eines der ersten in Deutschland.

Die Schutzhäftlinge waren in der früheren Frauenabteilung im Erdgeschoss des Gefängnisgebäudes untergebracht. Zu verschiedenen Zeitpunkten befanden sich jeweils 20 bis 40 politische Häftlinge in dem Gefängnis; insgesamt sind in Eutin mindestens 236 Inhaftierungen dokumentiert. Unter den Häftlingen stellten die Kommunisten mit mindestens 40 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von Sozialdemokraten, Angehörigen des Reichsbanners und Gewerkschaftern mit ungefähr 15 Prozent. Zu den Häftlingen gehörten allerdings auch Vertreter der DNVP wie der 1932 gewaltsam seines Amtes enthobene Bürgermeister Dr. Otto Stoffregen und der frühere Teilhaber und Duzfreund Böhmckers, der Rechtsanwalt Dr. Ernst Evers sowie auch der parteilose Polizeikommissar Paul Marks.

Die meisten Gefangenen wurden bei Bauprojekten in der Umgebung von Eutin eingesetzt, darunter bei der Trockenlegung eines Moorgeländes (Lindenbruch). Im weißen Drillich und mit Holzschuhen bekleidet mussten sie auf Anordnung des Regierungspräsidenten Heinrich Böhmcker unter Aufsicht von SA- und SS-Männern Marschlieder singend durch Eutin zu den jeweiligen Arbeitsstellen marschieren. Für die meisten von ihnen stellte allein dies eine unerhörte Demütigung dar, hinzu kamen vielfältige weitere Schikanen, körperliche Misshandlungen und auch Erpressungen von erheblichen Bußgeldern oder Kautionen für die Entlassung.

Lagerkommandant war der SA-Sturmführer Theodor Tenhaaf, ein gelernter Zimmermann, der zuvor jahrelang arbeitslos war und mehrfach strafrechtlich belangt worden war. Auch für den Sprengstoffanschlag auf den Konsumverein in Eutin wurde er als Mittäter verdächtigt, aber auf Betreiben Böhmckers nicht belangt. Er galt als rücksichtsloser und brutaler Nazi-Schläger und hat sich, ebenso wie Böhmcker, wohl auch an den Häftlingen persönlich bereichert.

Im Oktober 1933 wurde das Konzentrationslager in Eutin aufgelöst, und die verbliebenen Gefangenen wurden in das neu gegründete Konzentrationslager in Holstendorf bei Ahrensbök überführt. Das Gebäude des Amtsgerichtsgefängnisses, in dem sich das Lager befand, wurde Ende der 1960er Jahre abgerissen. Derzeit wird an der Stelle ein neues Amtsgebäude der Kreisverwaltung errichtet.

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