Kriegsende in Eutin

Gegen Kriegsende bestand zunächst die Absicht, Eutin gegen die vorrückenden Engländer zu verteidigen. Zwischen Mitte März und Ende April 1945 wurden an vermeintlich strategisch wichtigen Punkten in Eutin und Umgebung Panzersperren errichtet. Zu den Arbeiten wurden alle männlichen Einwohner, Flüchtlinge und „ausländischen Arbeiter“, vermutlich also Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, unter Führung des sogenannten Volkssturms herangezogen. Abgesehen davon, dass diese Leichtbausperren vermutlich durch wenige Schüsse aus Panzerkanonen durchbrochen worden wären, hätten die verschlossenen Panzersperren den anrückenden Alliierten signalisiert, dass Eutin verteidigt werden soll, und so zur Beschießung der Stadt mit verheerenden Folgen führen können.

Anfang Mai erreichte der Standortarzt und Leiter des in der heutigen Weber-Schule untergebrachten Luftwaffen-Lazaretts, Dr. Ferdinand Linz, dann jedoch, dass Eutin zu einer nicht zu verteidigenden Lazarettstadt erklärt wurde. Die Entscheidung, Eutin zur offenen Stadt zu erklären, fiel am Abend des 2. Mai 1945 im Voss-Haus zwischen Dr. Linz, dem späteren Landrat Erich Lotz und der militärischen Führung ohne Mitwirkung der örtlichen Parteiführung und wurde am Folgetag von dem Eutiner Kampfkommandanten Major Heye bekanntgegeben.

Am Morgen des 3. Mai 1945 erhielt das Luftwaffen-Lazarett vom Bahnhofskommando die Nachricht, dass vor Eutin ein aus Richtung Lübeck kommender Eisenbahntransport mit jüdischen Frauen aus dem Lager Lübberstedt-Bilohe, einem Außenlager des KZ Neuengamme, beschossen worden war. Bei dem britischen Tieffliegerangriff kamen 38 KZ-Häftlinge sowie mehrere Personen des Wach- und Zugpersonals ums Leben. Die Verletzten wurden in das Luftwaffen-Lazarett, das Kriegslazarett Voss-Schule und das Eutiner Krankenhaus gebracht. In den folgenden Tagen starben hier fünf weitere Frauen Sie wurden auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt; es sind die einzigen, deren Namen und Daten auf den Grabsteinen überliefert sind.

Dr. Linz soll diese Bergungssituation im Laufe des Vormittags genutzt haben, einen Sanitätswagen mit einer versteckten weißen Fahne über den Katastrophenort hinaus an den Süseler Baum zu schicken und den dort herannahenden britischen Truppen in einem Schreiben mitzuteilen, dass Eutin eine offene Stadt sei. Im Laufe des Nachmittags drehten die britischen Truppen dann aber zunächst nach Neustadt ab, wo sich die Situation nach der Versenkung der KZ-Schiffe Cap Arcona und Thielbeck, die von den Briten irrtümlich bombardiert worden waren, dramatisch entwickelte.

Erst am Folgetag kamen drei britische Kriegsberichterstatter auf dem Weg nach Kiel durch Eutin und hielten gegen 15 Uhr mit zwei offenen US-Militärjeeps vor dem Rathaus. Zu ihrer Überraschung wurde ihnen die Stadt prompt „von Eutiner NS-Honoratioren vor dem Rathaus“ übergeben. Die drei Soldaten, die abgesehen von ihren Kameras und vermutlich Pistolen so gut wie unbewaffnet waren, nahmen, wie sie später in ihrem Bericht festhielten, die Stadt „unter Kontrolle“, gaben erste Anweisungen an Stadtverwaltung und Polizei und ordneten an, dass Schusswaffen und Munition abzugeben seien. Einige wenige Gewehre wurden daraufhin auf dem Marktplatz verbrannt. Die britischen Kriegsberichterstatter dokumentierten das ganze Geschehen. Die Fotos zeigen auch die beiden Militärjeeps, die ebenso wie ihre Insassen von einer großen Menschenmenge umlagert sind. Am 5. Mai erfolgte dann die offizielle Übergabe der Stadt und damit die endgültige Befreiung vom Nationalsozialismus in Eutin.

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