NSDAP-Führer in Eutin

Heinrich Böhmcker (1896-1944) und Wolfgang Saalfeldt (1890-1954) kamen aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen, und zumindest bis zum Ende des Ersten Weltkriegs unterschieden sich ihre Lebensläufe beträchtlich. Böhmcker stammte aus einer alteingesessenen, begüterten Bauernfamilie in Braak bei Eutin. Nach dem Abitur, das er bereits als Soldat ablegte, war er bis 1918 Kriegsteilnehmer, später studierte er Jura und bestand 1927 mit knapper Not das Staatsexamen im dritten Anlauf. Saalfeldt dagegen war das uneheliche Kind einer Berliner Sprachlehrerin, was zu späteren Gerüchten führte, er sei jüdischer Abstammung, und seine Karriere in der NSDAP überschattete. Er studierte Medizin und bildete sich zum Facharzt weiter. Wegen eines Herzleidens verbrachte er den Krieg abseits der Front als Arzt an verschiedenen Krankenhäusern.

Nach dem Krieg schlossen sich beide, wenn auch wohl aus unterschiedlichen Motiven, den neu gebildeten republikfeindlichen „Freikorps“ an und stießen frühzeitig zur Hitlerbewegung. Bei Saalfeldt, so vermutet Stokes, mögen die Ungewissheit bezüglich seiner Herkunft und die in der damaligen Zeit als Makel empfundene fehlende Fronterfahrung dazu beigetragen haben, dass er sich begeistert den paramilitärischen Bewegungen der Nachkriegszeit angeschlossen hat. Böhmcker war ohnehin eine ziemlich skrupellose, rohe „Landsknechtsnatur“ und fühlte sich dem Militärischen eng verbunden. Weil er bei Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern durch besonders brutales Vorgehen auffiel, war er in Eutin und anderswo unter dem Spitznamen „Latten-Böhmcker“ bekannt. Während seiner Amtszeit als Regierungspräsident gab es wiederholt Klagen bei höheren Stellen bis hin zum Reichsinnenministerium. Ihm wurde vorgeworfen, häufig betrunken in der Öffentlichkeit zu erscheinen, dann obszöne Reden zu führen, gegen Frauen und Mädchen übergriffig zu werden und auch gemeinsam mit seinen Trinkkumpanen in öffentlichen Lokalen Verwüstungen anzurichten; auch seine Machtbefugnisse missbrauche er immer wieder und schädige auf diese Weise das Ansehen der Partei. Saalfeldt war ebenfalls hoch umstritten und wurde sowohl von der Eutiner Ärzteschaft als auch von der Ortsführung der Reichswehr abgelehnt, was auch durch seine bekannten außerehelichen Liebesverhältnisse sowie die von ihm vorgenommen Abtreibungen begründet war.

Ab 1934 gerieten Böhmcker und Saalfeldt auch innerhalb der NSDAP zunehmend unter Kritik. Während Böhmcker seine Stellung trotz der vielen privaten Verfehlungen und Überschreitungen seiner Amtsbefugnisse dank des Schutzes der Oldenburger Regierung halten konnte, geriet Saalfeldt, der aufgrund der nie verstummenden Gerüchte über seine jüdische Abstammung ohnehin als belastet galt, in das Visier der Justiz. 1937 wurde er verhaftet und wegen gewerbsmäßig vorgenommener Abtreibungen zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem seine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, arbeitete er zunächst im heutigen Elisabethkrankenhaus und ab 1944 als Chefarzt eines Krankenhauses in Sachsen-Anhalt. Nach dem Krieg praktizierte er bis zu seinem Tod 1954 als niedergelassener Arzt für Frauenheilkunde in Eutin. Böhmcker wurde nach der Eingliederung des Landesteils Lübeck 1937 als Bürgermeister von Bremen eingesetzt. Er verstarb unter nicht restlos geklärten Umständen im Mai 1944 während einer Bahnreise und bekam ein Staatsbegräbnis.

 Abschlussbericht als PDF